2
2014
Faszination Forschung
Tausende strömen zum Tag der offenen Tür auf den Garchinger Campus
Wissenschaftler arbeiten gerne im Verborgenen und deshalb weiß der Außenstehende oft gar nicht so genau, was die Ideenfabriken der Universitäten so alles an Geheimnissen über uns Menschen, unsere Vergangenheit und unsere Erde herausfinden. Am Garchinger Forschungscampus finden sich alle gemeinsam jedes Jahr zu einem Tag der offenen Tür zusammen, der auch in diesem Jahr wieder knapp 10.000 Interessierte anlockte.
Einziges Problem dieses Tages war die Qual der Wahl. Wer alles sehen und erleben wollte, hätte statt einem Tag etwa einen Monat gebraucht. Deshalb mussten die Gäste selektieren. Wer sich für den Rundgang durch die Maschinenbau-Fakultät entschied, der traf dann auch Mitarbeiter der Stadt Garching. Diese nutzten den Tag auch, um sich zu präsentieren als Nachbar und Partner des Wissenschaftscampus. Nicht umsonst trägt Garching mit Stolz den Titel Universitätsstadt.
Zur Chemie gibt es ja den berühmten Spruch, dass es nur Chemie ist, wenn es kracht, raucht und stinkt. Der ist kein Gerücht, wie die spektakuläre Experimentalvorlesung von Prof. Dr. Johann Blank, dem Inhaber des Lehrstuhls für Bauchemie, zeigte. Die ärgsten Gerüche und Vernebelungen ersparten Blank und sein Team den Besuchern zwar, sie zeigten aber faszinierende Experimente, verpackt in einer leicht verständlichen Zeitreise durch die Geschichte der Chemie.
Nicht viele Laien wissen, wie extrem sich die Kulturen verändert haben. So gilt Jabir Ibn Haiyan als Begründer der Chemie. Das war 803 n. Chr. in Bagdad, im heutigen Irak. Dort hatte er schon eine Million Bücher in der Bibliothek, während seinerzeit der deutsche Kaiser noch nicht einmal lesen konnte.
Beim Grundkurs Chemie zeigte Prof. Dr. Blank auch, wie einst Gaukler die Chemie nutzten, um den Menschen Angst zu machen, sie zu täuschen oder ihnen die Hölle vorzuführen. Heute sind viele Geheimnisse erforscht. Eine der verblüffenden Ideen eines Doktoranden am Garchinger Campus war die, aus vier Zitronenhälften einen Kreislauf zu bilden und damit ohne Strom ein kleines Lämpchen zum Glühen zu bringen. Das war dann ein Blick auf Aufgaben für die Zukunft der Menschheit, bevor sich die Chemiker standesgemäß mit einem Feuerwerk verabschiedeten.
Den Kasten unter dem Tisch mit der vielen Technik kennt jeder von seinem Heimcomputer. Doch den begehbaren Computer sehen nicht viele. Im Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) waren die Führungen durch den Super Computer den ganzen Tag über ausgebucht. Garchings 2012 in Betrieb genommener Supercomputer ist derzeit der zwölftschnellste Rechner der Welt. Die nächsten Erweiterungen und Geschwindigkeitssteigerungen sind längst schon in der Vorbereitung.
Garching ist absolute Weltspitze bei der Energieeffizienz. Der Rechner wird durch Warmwasser gekühlt, was eine weltweite Besonderheit ist. Längst haben sich im Bereich des Aufbaus von immer leistungsstärkeren Computern an vorderster Front die Fragen aufgebaut, wie der enorme Energiebedarf und dessen Kosten in einem einigermaßen bezahlbaren Rahmen gehalten werden können.
Was Super Computing ermöglicht, kann man bei den Vorführungen im Zentrum für Virtuelle Realität und Visualisierung V2C erahnen. Hier zeigte das LRZ seine 3D-Berechnungen, für die sogar die größten Computer der Welt ein paar Sekunden Schwerstarbeit verrichten müssen. Im Visualisierungszentrum etwa konnten sich die Gäste im Gerippe eines real fingernagelgroßen Tieres bewegen und sich umsehen wie in einem 20 Meter langen Dinosaurier. Noch realer wurden die Simulationen, bei denen sich der Betrachter dank seiner mit Sensoren ausgestatteten 3D-Brille in einem Gebäude umsehen konnte. Kameras erfassen die Bewegungen und ändern so Blickwinkel und -höhen.
Was auf den ersten Blick wie eine Spielerei aussieht, gibt in der Realität viele neue Optionen. So können beispielsweise Architekten schon bei einer Planung in einem Unterrichtsraum weit vor dem ersten Spatenstich der Baumaßnahme austesten, wie sich zu jeder Zeit die Sonneneinstrahlung auswirkt. Sie können virtuell testen, ob jeder Schüler immer problemlos den Text auf der Tafel lesen kann. Die berühmten ärgerlichen Nachbesserungen können so minimiert werden. Zumindest dann, wenn der Mensch keine Fehler macht.
Die Besucher am Tag der offenen Tür des Wissenschaftscampus waren auch diesmal beeindruckt und begeistert. Auch kindgerecht wurden komplizierteste Dinge erklärt. Und Garching kann sich stolz schätzen, was da alles im Norden der Stadt passiert. Auch dann, wenn am Campus gearbeitet und nicht erklärt wird.